Automatisches Ticketing – Oma’s machen es vor

Mit 18% Marktanteil ist das automatische Ticketing in der Schweizer öV-Welt angekommen. Neue Tarif-Innovationen sind in den Startlöchern, MyRide von der Alliance SwissPass ist eines davon, aktuell noch im Feldtest befindlich. Dass mit dem Angebot nicht nur die jungen digital affinen Personen angesprochen werden, zeigt die statistische Auswertung. Auf den ersten Blick ist erwartungsgemäss die grösste Kundengruppe zwischen 25 und 35 Jahre alt. Vergleicht man die Zahlen mit den Verkaufszahlen vom klassischen Ticketing zeigt sich zudem folgende Erkenntnis: Ältere Personen ab 65 Jahre beziehen im klassischen Ticketing 5% der Tickets, im automatischen Ticketing sind es bis zu 10% (siehe Grafik) – der Anteil dieser Kundengruppe ist hier somit fast doppelt so gross. Warum? Maurice Rapin von Fairtiq beantwortete dies am Mobilitätsgespräch der Hochschule Luzern gleich selber: Ihr Produkt ist einfach bedienbar und benötigt kein Wissen zu den geltenden Tarifzonen – ideal also auch für Wenignutzer:innen oder Personen, die sich nicht im Detail mit den öV-Ticketvarianten auseinanderzusetzen wollen oder können. Die Nutzungstendenz vom automatischen Ticketing zeigt aufwärts, und spätestens mit der definitiven Lancierung von MyRide durch Alliance SwissPass im 2027 ist das erklärte Ziel, dass die Breite der öV-Nutzer:innen aufs automatische Ticketing umsteigt. Bis dahin gibt es insbesondere auf technischer Seite noch einiges zu tun.

Trafikguide Monitoring 2019-23

Neue Dienstleistungen, neue Technologien, neue Anbieter – die Verkehrswende schreitet voran. In diesem unübersichtlichen Umfeld sorgt Trafikguide mit einer systematischen und aktuellen Sammlung von relevanten Mobilitätsdienstleistungen für den Überblick. Trafikguide kategorisiert und beschreibt neue, aber auch alt bekannte Mobilitätslösungen und macht sie vergleichbar. Vor kurzem ist das Monitoring aktualisiert worden. Erstmals wird ein Trend aufgrund der kleinen Zeitreihe von 2019 bis 2023 sichtbar. Eine Zunahme bei den Anzahl Fahrzeugen ist noch immer grossmehrheitlich zu beobachten. Die Pandemie hatte also kein Einfluss auf das Wachstum. Sharing ist gekommen, um zu bleiben.

Entwicklung On-Demand

Auch wenn in der Schweiz zurzeit scheinbar wenig passiert: Es geht was. Gepoolte Fahrdienste mit Fahrdienstpersonal gibt es in der Schweiz inzwischen als Produkt PubliCar (PostAuto) und Mybuxi erprobt auf dem Markt und in Betrieb. Man kann es also rasch anwenden. Bei Anwendungen zum autonomen Fahren ohne Fahrdienstpersonal hinkt zurzeit die Schweiz den Ländern Amerika und China hinterher. Dort verkehren bereits ganze Flotten im kommerziellen Betrieb autonom. Immerhin hat die Schweiz erste Anwendungen On-Demand mit dem öV kombiniert – wie Appenzell oder in Thusis zeigen. Dabei gäbe es seit längerem auch andernorts Herausforderungen, welche der klassische öV nicht effizient lösen kann. Gesucht sind also ernsthafte, sinnvolle und grössere Anwendungen von On-Demand mit Fahrdienstpersonal, um Erfahrungen für den späteren autonomen Betrieb zu sammeln. Hier unsere Kurzpräsentation mit den beiden Bildern oben im Sinn eines Inputs. Zudem gab es kürzlich ein On-Demand-Kongress, wo sich die junge On-Demand-Community sehr transparent austauschte. Spannend ist der Vortrag von MOIA, wo man den Modalsplit mit 565 und 10’000 Fahrzeuge in der Hamburg-Simulation sieht (da passiert natürlich was, anders als die SIMBA MOBi-Simulation des Gantrisch mit 5 PubliCar-Fahrzeugen in einer anderen Präsentation). Dass On-Demand gegenüber dem Linienverkehr sinnvoll ist, zeigt tpg in ihrem Input: Sie haben 2 öV-Linien in tpgFlex aufgehen lassen. Grösser denkt der Rhein-Main-Verkehrsverbund RMV in Deutschland: Dieser hat bereits 155 Fahrzeuge in 9 Gebieten in Betrieb und überlegt sich mit seiner Subfirma rms, wie man das Angebot nun in die Regelfinanzierung überführen kann. Ein nächste Herausforderungen nach Pilotprojekten.

DüsseldorfCard mit Sharing

Man kennt die Touristen-Ticketkombis, wo Attraktionen wie Museen mit dem öV kombiniert werden. In Düsseldorf gibt es passend zum breiter werdenden Mobilitätsangebot vor Ort eine Auswahl von verschiedenen Kombinationen: DüsseldorfCard klassisch (das vielerorts bekannte Angebot basierend auf freier Fahrt mit Bus und Bahn), DüsseldorfBikeCard (Kombination mit einem Leih-Velo) und DüsseldorfCard eddy (gekoppelt mit einen Rollersharinganbieter im free floating und eddy-App). Mit den eddy-Elektroroller kommt man so individuell, rasch und doch klimaschonend zu den vielen Highlights von Düsseldorf und hat dort freien oder ermässigten Eintritt in zahlreiche Museen. Wir haben uns jedoch für die BikeCard entschieden, um etwas gemächlicher die Stadt zu erkunden, schliesslich haben wir ja Ferien. Wann koppelt die erste Schweizer Stadt ihre Touristenkarte mit dem Sharingangebot vor Ort, z.B. Zürich mit PubliBike oder Luzern mit Nextbike?

Platzbedarf Auto vs Velo

Wir kennen die Bilder, also die drei Bilder: Man sieht eine Strasse, links und rechts mehrstöckige Gebäude. Auf der Strasse befinden sich rund 30 Menschen. Im ersten Bild sitzen diese Personen alle in ihrem eigenen Auto, allein. Im zweiten Bild sitzen sie alle zusammen in einem Bus, der Rest der Strasse ist leer. Und im letzten Bild stehen sie alle zusammen als Fussgänger auf der Strasse – und brauchen nochmals weniger Platz. Diese visuelle Darstellung des Flächenverbrauchs in der Mobilität ist gängig, aber immer wieder gut für einen Augenöffner in einer Diskussion.
In der Stadt Malmö in Schweden wurde dieser Ansatz im ruhenden Verkehr angewandt (siehe Bild). Zahlreich stehen sie da, die Veloständer, welche mit einem grossen Auto-Umriss verkleidet und leuchtorange angemalt sind. Unweigerlich erinnern sie tagtäglich die Vorbeigehenden daran, dass auf dem einen Parkplatz, wo ein Auto abgestellt wird, das möglicherweise nur eine Person transportiert hat, zahlreiche Velos abgestellt werden können – die alle zwar auch nur eine Person transportiert haben, aber ein Bruchteil der Fläche benötigen und genauso individuell flexible Mobilität ermöglichen.

Coop-Gütersystem by Railcare

In der Septemberausgabe der Coopzeitung wurde das Hubsystem vorgestellt, welches Coop mit seiner eigenen Eisenbahngesellschaft Railcare betreibt. Nur noch vom Hub bis zum Ziel werden für die letzten Kilometer LKWs eingesetzt. Dank Railcare wurden im Jahr 2023 17 Millionen Lastwagen-Kilometer eingespart. Genauso innovativ wie der unbegleitete Güterverkehr auf den Schienen ist auch dessen Kühltechnik. Während der Fahrt erzeugen die Bahnwagen elektrische Energie. Diese Energie wiederum betreibt das Kühlsystem. Diese Technik wurde von Railcare selbst entwickelt. Weiter so: Konkret umgesetzte Lösungen statt einfach immer wieder neue Konzepte und Pilotprojekte.

Shared-Mobility-Testresultate aus Vancouver

Kürzlich tauschten wir uns mit Projektbeteiligten aus Vancouver über dort pilotierte MaaS-Anwendungen aus. Ein Pilotangebot fasste dort ganz im Sinn des MaaS-Gedankens verschiedene Sharing-Dienste in der Compass Card zusammen und kombiniert diese Angebote mit jenen des öV. Einige Erkenntnisse aus der Pilotphase von November 2019 bis August 2020:

  • 6.000 Fahrten wurden mit der Shared Mobility Compass Card unternommen.
  • Der öffentliche Nahverkehr verzeichnete insgesamt die höchste Zahl an Fahrten (59 Prozent).
  • 56% der Teilnehmenden haben auf dem Pendlerweg ein anderes Verkehrsmittel ausprobiert oder mit dem gewohnten kombiniert.
  • 82 Prozent der Befragten gaben dem Shared Mobility-Pilotprojekt insgesamt Bestnoten, was zu nächsten Schritten motiviert.
  • 6 von 10 Personen hätten gerne eine App, in der sie ihre Fahrten sehen können oder wünschen sich eine App zur Buchung oder Planung.
  • 60 Prozent der Nutzer gaben an, die Karte als Ersatz für die Nutzung eines privaten Fahrzeugs für dienstliche Fahrten zu verwenden.
  • 56 Prozent der Nutzer gaben an, dass sich ihr berufliches Reiseverhalten durch die Karte geändert habe, indem sie neue Verkehrsmittel ausprobiert oder verschiedene Verkehrsmittel kombiniert hätten.
  • Das Pilotprogramm schuf zudem einen funktionalen Rahmen für die Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen den Transportdienstleistern.
  • Die Pilotphase 1 ist jedoch nicht skalierbar, da viele Backend-Verfahren nicht automatisiert sind.

Ähnliche Feedbacks zeigt auch die kürzlich durchgeführte Umfrage zu unserem kleinen MaaS-Projekt Trafikpoint (Mobilitätsstation Weinbergli Resultate der Umfrage / Monitoring zweier Stationen). In Vancouver gehts nun seit einigen Monaten weiter: Gemäss TransLink sind wiederum Angebote des Nahverkehrs, Carsharing und Bikesharing in der neuen RideLink-App vereint. Im Rahmen eines nächsten 12-monatigen Pilotprojekts können 1300 Kunden:innen die neue App nutzen. Wir können da nur sagen: Weiter so – schrittweise Richtung MaaS!

öV im Dauerbetrieb 24/7

Kürzlich durften wir uns im Rahmen eines Auftrags mit zuständigen Stellen bei traffiQ (städtische Aufgabenträgerorganisation, welche in Frankfurt den lokalen Nahverkehr koordiniert) über Nachtnetze rund um die Uhr während allen Nächten Mo-So austauschen. Denn wieso sind eigentlich Strassen immer geöffnet, der öV aber meist von Mo-Fr in der Nacht nicht in Betrieb? Für grössere Regionen ist der Dauerbetrieb auch in der Schweiz eine mögliche Option, um Arbeitnehmende und Nachtschwärmer zu allen Zeiten zu transportieren, so dass wirklich kein Auto mehr benötigt wird. Solche Entwicklungen kommen nicht von heute auf morgen, wie der Fachartikel von traffiQ zeigt. In Frankfurt wurde im 2009 der entscheidende Schritt gemacht, wo Linien auch in den Nächten von Montag bis Freitag fuhren und damit der öV 24/7 angeboten wurde. Wir empfehlen die Lektüre im Sinn eines Best Practice.

Monitorings von Mobilitätsstationen zeigen erfreuliche Entwicklung

Die Albert Koechlin Stiftung (AKS), die allgemeine baugenossenschaft luzern (abl) und Trafikpoint haben im Frühling 2021 im Quartier Weinbergli die erste öffentliche Mobilitätsstation der Schweiz mit Elektrofahrzeugen realisiert. Die Nutzungszahlen entwickeln sich seither erfreulich, wie das Monitoring des zweiten Betriebsjahr dokumentiert. Über 160 Personen haben bislang Fahrzeuge an der Station ausgeliehen, was insgesamt über 1000 Buchungen ergab. Auch die Mobilitätsstation im Ziegeleipark in Horw/Kriens zeigt gemäss Monitoring positive Zahlen. Bereits im ersten Betriebsjahr wurden die sieben Sharing-Fahrzeuge in der autoarmen Überbauung über 900-mal ausgeliehen. Neben dem Monitoring führte die AKS im Weinbergli-Quartier auch eine Umfrage durch. Ein Viertel der Nutzenden hat durch die Mobilitätsstation das Sharing überhaupt erst entdeckt; 20 Prozent sind durch das Angebot generell bewusster unterwegs – und 13 Prozent haben gar angegeben, dass sie ihr eigenes Fahrzeug verkauft oder kein neues mehr angeschafft haben.

 

Wirksame Interventionen in Städten

Aus der Sichtung von fast 800 von Experten überprüften Studien und Fallstudien, einschliesslich einer eingehenden Analyse von 24 Dokumenten hat eine Studie 12 Interventionstypen identifiziert, die sich bei der Reduzierung der Autonutzung in Städten als wirksam erweisen. Es sind dies:

  1. City-Maut
  2. Parkgebühr am Arbeitsplatz
  3. Verkehrsberuhigte Zonen
  4. Abbau von Parkplätzen/Kontrollen
  5. Mobilitätsmanagement in Unternehmen für Pendler- und Geschäftsmobilität
  6. Optimierung Mobilität für Hochschulen/Unis
  7. Integrierter Car-Sharing-Aktionsplan
  8. Mobilitätsinformationen am Arbeitsplatz
  9. Schulwegplanung
  10. Universitätsreiseplanung
  11. Personalisierte Reiseplanung
  12. App für nachhaltigen Mobilitätswettbewerb.

Die 12 Massnahmen wurden kategorisiert. Wenig überraschend sind die wirksamsten Massnahmen in der Kategorie „Gebühren- und Preisgestaltung“ zu finden. Während die City-Maut z.B. in London bis zu 33% wirksam ist, sind verkehrsberuhigte Innenstädte immerhin ca. 15% wirksam. Die meisten Interventionen wurden von lokalen Stadtverwaltungen initiiert und geleitet, oft in Zusammenarbeit mit privaten Interessengruppen. Dies deutet darauf hin, wer die Initiative ergreifen müsste, will man in der eigenen Stadt eine Änderung herbeiführen.

Trafiko